Bibel lesen – göttliche Informationen oder noch mehr?
Was ist eigentlich die Bibel? Und warum sollten wir die Bibel lesen? Sind da ein Haufen Regeln und Informationen zu finden oder hat die Bibel noch mehr zu bieten? Ich glaube, wie wir an die Bibel herangehen, bestimmt auch zu einem grossen Teil, welchen Gewinn wir aus der Bibel ziehen.
Jesus ermahnte die Juden in Bezug auf die Schrift:
«Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen das ewige Leben zu haben; und sie sind es, die von mir Zeugnis geben. Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, um das Leben zu empfangen.» Johannes 5:39-40 (SCH2000)
Jesus waren die Schriften des Alten Testaments sehr wichtig – er zitierte oft daraus (das Neue Testament hat es zur Zeit des Lebens Jesu ja noch nicht gegeben, das wurde erst nach Jesus geschrieben). Ihm geht es also nicht darum zu sagen, dass die Schriften bzw. die Bibel nicht wichtig waren. Aber seine Kritik an den Juden war folgende: sie dachten in den Schriften ewiges Leben zu finden. Dem ist nicht so. Leben entspringt aus einer Begegnung mit Jesus selbst – er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Johannes 14:6). Jesus ist auch das Wort (vgl. Johannes 1,14). Wenn uns also die Schriften bzw. die Bibel nicht in einer Begegnung mit dem Wort selbst (Jesus) birgt, verpassen wir das Ziel.
Viele denken, das Ziel vom Bibel lesen ist, dass wir daraus mehr Informationen über Gott bekommen. Das ist gut, aber nicht das Ziel. Die Bibel will uns in eine Begegnung mit Gott bringen, zu uns reden und uns verändert. Das alles, indem wir dem Wort selbst – Jesus Christus – in der Schrift und durch die Schrift begegnen.
Wie geschieht das? Indem der Geist Gottes über die Buchstaben haucht und uns anspricht und in eine Begegnung mit Gott bringt. Paulus formuliert es so:
«denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig» 2. Korinther 3:6b (SCH2000)
Nur durch den Geist Gottes bekommt die Bibel leben. Natürlich können wir in den Schriften forschen, Informationen sammeln und sie studieren. Das ist auch nicht schlecht – aber es ist nicht alles und es ist nicht die Hauptsache. Die Hauptsache ist: durch den Heiligen Geist dem lebendigen Gott der Bibel zu begegnen, um zu erleben, wie er uns für immer verändert.
«Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet.» 2. Timotheus 3:16-17 (SCH2000)
Die Bibel bezeugt also von sich selbst, dass sie inspiriert ist. Hier geht es aber darum, dass sie inspiriert ist, um uns zu verändern und zuzurüsten. Die Bibel ist nicht inspiriert, um uns alle Regeln und Informationen zu geben. Natürlich sind Regeln und wichtige Informationen in der Bibel enthalten. Aber die Bibel wurde uns primär dazu geschenkt, dass die lebendigen Wahrheiten der Bibel unser Leben verändern und uns ausrüsten mehr und mehr wie Jesus zu sein und zu leben. Solange wir nach Informationen in den biblischen Texten suchen, aber es verpassen, dass Gott uns in der und durch die Schrift begegnen will, verpassen wir das Ziel. Das primäre Ziel des Lesens besteht nicht darin, dass wir mehr Informationen haben, sondern mehr Erfahrung. Die Bibel zu studieren, ohne den Geist Gottes zu erleben, verpasst das Ziel der biblischen Texte.
Man kann die Bibel als Mitteilung Gottes betrachten: Er teilt sich uns mit und will uns an seiner Gemeinschaft teilhaben lassen. Dabei geht es um Erkenntnis im hebräischen Sinn: «jada’» – also um Erkenntnis, die erlebt und erfahren werden kann.1
Die Bibel ist das meistverkaufte und prägendste Buch der Welt. Es hat die Menschheitsgeschichte wie kein anderes Buch geprägt. Genau das sollten wir auch in unseren Leben erfahren: Das Bibel lesen soll unsere Leben prägen. Das kann die Bibel tun, weil unser Glauben primär auf der Begegnung mit Gott gründet, nicht auf Schriften oder Buchstaben. Wir vertrauen auf eine Begegnung mit dem Heiligen Geist – das ist das Transformierende an der Bibel: Sie leitet uns in Offenbarung von und Begegnung mit Gott.2
Es ist das Wirken des Heiligen Geistes, dass er uns einen neuen Blick auf die Texte schenkt, um nicht in den biblischen Texten zu finden, was wir in ihnen sowieso erwarten oder erhoffen. Sondern dass wir durch den Heiligen Geist von den Texten überführt werden und unser Leben für immer verändert wird. Paulus schreibt dazu:
«Richtet euch nicht länger nach ´den Maßstäben` dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist .» Römer 12:2 (NGÜ)
Unser Denken – und damit unser ganzes Leben – wird verändert durch die lebendigen Wahrheiten der Bibel. Dazu brauchen wir das Wirken des Heiligen Geistes. Die Verheissung, die darin liegt, ist gross: wir werden für immer verändert und können prüfen, was Gottes Wille ist. Ist das nicht stark?
Doch Paulus sagt auch klar: «Erkenntnis ist Stückwerk» (vgl. 1. Korinther 13,9ff). Wir brauchen einander, um die Bibel richtig auszulegen. Niemand weiss alles und kann alle Stellen richtig auslegen. Das macht uns neu demütig: wir brauchen unsere Brüder und Schwestern, die uns helfen, zusammen mit dem Heiligen Geist die Bibel zu verstehen. Natürlich, Gott spricht zu uns – ja, er begegnet uns. Aber: keiner von uns erkennt die Wahrheit allein. Wir brauchen auch einander. Und das ist eben auch etwas Schönes an der Schrift: sie kann uns verbinden.
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1 Gerhard Maier, Biblische Hermeneutik (2020), S. 45ff
2 Florian Sondheimer, Damit rauskommt, was drinsteckt (2022), S. 253
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